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(Berlin) – Verkehrsminister Volker Wissing lud am Freitag Wirtschafts- und Umweltverbände zur Fortsetzung des Infrastrukturdialogs. Die Bundesregierung hat sich das Ziel gesetzt, statt eines Bundesverkehrswegeplans in Zukunft einen Bundesverkehrswege- und Mobilitätsplan zu erstellen. Was das genau sein soll, darüber scheiden sich die Geister.
15 eingeladene Verbände erhielten am Freitag eine Redezeit von je drei Minuten, um die vorgegebene Frage zu beantworten: Soll der Bund in die Verkehrsnetze investieren, um den wachsenden Verkehr zu bewältigen? Oder liegt der Fokus darauf, dass die Verkehrsinfrastruktur einen möglichst großen Beitrag dazu leistet, die Klimaschutzziele zu erreichen?
Was dann geschah ist bemerkenswert: Schon die Frage sorgte für reichlich Verwirrung unter den Gästen. „Wir brauchen eine leistungsfähige Infrastruktur, damit wir die Klimaziele erreichen können“, betonte die Abteilungsleiterin Mobilität und Logistik beim Bundesverband der Deutschen Industrie, Uta Pfeiffer. „Eine Entweder-oder-Politik ist der falsche Weg.“
ADAC will keine neuen Straßen
Der ADAC scheint seine Überzeugungen über Bord geworfen zu haben: Neue Straßen lösten die Klimaprobleme nicht. Wichtiger und gerade „lebensnotwendig für den Wirtschaftsstandort“ sei es, marode Brücken zu sanieren.
„Fortschritte hinsichtlich der CO2-Reduzierung erzielen wir vor allem durch die Elektrifizierung der Fahrzeugflotte“, sagte Stefan Gerwens, Leiter des Ressorts Verkehr beim ADAC. Dafür sei ein deutlich schnellerer Ausbau der Ladeinfrastruktur zum Beispiel entlang der Fernstraßen notwendig.
Ministerium warnt vor Ideologie
Das Ministerium hat vorab „Kernbotschaften“ verschickt: Demnach verweist das Ministerium auf das Verkehrswachstum und dass es dem Klima nicht automatisch hilft, Verkehr von der Straße auf die Schiene zu verlagern. Verkehrsträger sollen „nicht gegeneinander“ ausgespielt werden.
Ein „Neubaustopp von Straßen“, heißt es weiter, „gefährdet die bedarfsgerechte Verkehrsinfrastruktur“. Ziel müsse es sein, dass Autos, Lastwagen, Bahnen und Schiffe künftig mit klimaneutralen Antrieben fahren.
Verbände wollen Energie- und Datennetze im Verkehrswegeplan
Den Verbänden geht diese Sicht nicht weit genug. „Ein Mobilitätsplan muss auch die Energienetze, die Lade- wie auch die Datennetze in den Blick nehmen und die bisher fehlende Planungs- und Investitionssicherheit für die Wirtschaft im Land herstellen“, sagte Markus Emmert vom Bundesverband eMobilität.
Die Mobilitätswende gelinge nur, wenn das prognostizierte Verkehrswachstum bis 2051 von mehr als 50 Prozent im Güterverkehr und einem Plus von 13 Prozent im Personenverkehr mit einem Energiemanagement flankiert werde. Dazu müsse der Bund einen elektrisch betriebenen Fahrzeugmix fördern, der auch Leichtfahrzeuge, vom Fahrrad bis zum Motorrad und Cargobikes im Güternahverkehr einschließe, sagte Emmert.
Verbände akzeptieren Verkehrsprognose nicht
Vor allem wollen die Verbände die von Verkehrsminister Volker Wissing (FDP) im März vorgestellte Verkehrsprognose nicht hinnehmen.
Das Netzwerk Europäischer Eisenbahnen forderte in einem Brief an das Ministerium, dass „ein Ruck durch das Haus geht“. Das Ministerium versuche, Verkehrspolitik als „unbeeinflussbar darstellen zu wollen“.
Wasilis von Rauch, Geschäftsführer von Zukunft Fahrrad, kritisierte, dass der Ausbau der Infrastruktur für Pkw und Lastwagen zu mehr Pkw- und Lastwagenverkehr führe. Dieser wiederum werde in den Modellen für die Zukunft fortgeführt und verlange vermeintlich erneut zusätzliche Infrastruktur. Dieser Kreislauf widerspreche dem, „was verkehrs- und klimapolitisch notwendig ist“.
Umweltverbände wollen Klimaschutz als Grundlage für Verkehrsinfrastruktur
Roland Stimpel, Vorstand von Fuss e.V., argumentierte, effizient sei Verkehr, der möglichst wenig Energie und Fläche benötige. „Das gilt für die eingesetzten Verkehrsmittel wie für die Wegelängen. Man kann auch kürzere statt längerer Distanzen verkehrspolitisch fördern.“ Stimpel fordert, von den „Denkweisen des vorigen Jahrhunderts auf den Stand der Gegenwart zu kommen“.
Die eingeladenen Umweltverbände forderten, wie die Grünen in der Ampelkoalition, jedes geplante Straßen-Verkehrsprojekt aus dem Bundesverkehrswegeplan noch einmal zu überprüfen und so lange auch nicht zu bauen. „Klima- und Naturschutzziele müssen endlich zur Bewertungsgrundlage aller Infrastrukturplanungen werden“, so Greenpeace, Naturschutzbund, Verkehrsclub Deutschland und andere.
Robert Habeck lässt Autobahn streichen
Mitte der Woche beschloss das Bundeskabinett, einige Autobahn- und etliche Schienenprojekte zum „überragenden öffentlichen Interesse“ zu erklären und damit im Eiltempo umzusetzen. Den sechsstreifigen Ausbau der A 23 von Pinneberg nach Hamburg verhinderte Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) noch am Dienstag - aus Rücksicht auf sein Heimatland Schleswig-Holstein.
Die Verbände diskutierten am Freitag an sogenannten „Thementischen“, nach welchen Kriterien ein „Bundesverkehrswege- und Mobilitätsplan 2040“ erstellt werden könnte. Das Ministerium hat Gutachten in Auftrag gegeben. 2024 soll ein Ergebnis vorliegen.