08.12.2022 - 01:05 Uhr
Franz Fischer
Nr. 8029
376

Streit um Straßenbaubeschleunigung voll entbrannt

(Berlin) - Die FDP besteht bei den mitregierenden Grünen darauf, auch den Bau von Straßenprojekten zu beschleunigen: „Der Ausbau unserer Infrastruktur ist zentral für unseren Wirtschaftsstandort – da kann es keine zwei Meinungen geben“, sagte nun FDP-Fraktionschef Christian Dürr. Daher überrasche es ihn zu hören, dass die Grünen plötzlich Bedenken hätten. „Schließlich haben wir im Koalitionsvertrag vereinbart, dass wir die Planungs- und Genehmigungsverfahren aller Vorhaben halbieren wollen.“ Das gelte für den Ausbau erneuerbarer Energien genauso wie für Straßenbauprojekte.

Der Streit in der Koalition entzündete sich an einem Entwurf des FDP-geführten Verkehrsressorts für ein „Gesetz zur Beschleunigung von Genehmigungsverfahren“. Darin heißt es, „zur zügigeren Realisierung von Vorhaben im Bereich der Bundesfernstraßen, Bundeseisenbahnen und Bundeswasserstraßen“ solle unter anderem ein vorzeitiger Baubeginn ermöglicht werden. Vorbild ist das Tempo, mit dem in diesem Jahr neue Terminals für den Import von verflüssigtem Erdgas auf den Weg kamen.


Grüne schimpfen über Minister Wissing
Die Grünen sind gegen eine Beschleunigung bei Straßen, schimpfen über Minister Volker Wissing (FDP) und verweisen ebenfalls auf den Koalitionsvertrag. Dort sei verabredet, den Ausbau der Schiene und klimafreundliche Mobilität nach vorne zu stellen, sagte Verkehrsexperte Stefan Gelbhaar. Darauf solle man sich konzentrieren. Das Verkehrsressort sollte schnell dazu zurückkehren.


Streit um Bundesverkehrswegeplan
Am Mittwoch lud die Bundesregierung erstmals mehr als 160 Organisationen zum sogenannten Infrastrukturdialog. Umweltgruppen wie der Bund für Umwelt und Naturschutz in Deutschland zeigten sich wenig erfreut und äußerten Zweifel, „ob ein echter Dialog überhaupt möglich ist“. Aus ihrer Sicht müsste zuerst der noch von der vorletzten Bundesregierung stammende Bundesverkehrswegeplan 2030 überprüft werden. In der Ampelkoalition scheint sich hingegen die Auffassung durchzusetzen, den alten Plan nicht mehr anzutasten und nur für den kommenden Verkehrswegeplan bis 2040 neue Prioritäten wie den Klimaschutz setzen zu wollen. Aber so würden umstrittene Straßen weiter zum „vordringlichen Bedarf“ zählen. Diese Bauten ließen sich daher mit dem neuen Gesetz noch beschleunigen. Stünden sie hingegen unter dem Vorbehalt eines Klimachecks, würden sie gestoppt.


Keine Aufteilung in „gute und schlechte Infrastruktur“
FDP-Mann Dürr sagte, er wünsche sich, dass die Grünen „dieses wichtige Gesetz von Volker Wissing mit uns gemeinsam durch den Bundestag bringen“. Auch der parlamentarische Verkehrsstaatssekretär Oliver Luksic (FDP) betonte, man habe sich im Koalitionsvertrag auf eine Halbierung der Planungszeiten für Infrastruktur geeinigt. „Brücken und Radwege sind eben auch Straßenwege, das kann man schlecht künstlich aufteilen in gute und schlechte Infrastruktur“, sagte er dem SPIEGEL.


SPD offen für beschleunigten Straßenbau
Der sozialdemokratische Fraktionsvize Detlef Müller (SPD) betonte, der im Koalitionsvertrag vereinbarte Vorrang von Bahnstrecken sei weiterhin gültig. Bei Wasserwegen und Straßen komme es vor allem auf die Sanierung an. Sperrungen aufgrund von akuten Mängeln und Sicherheitsbedenken müssten unbedingt verhindert werden, denn „sie schränken die Mobilität in ganzen Regionen ein“. Ausdrücklich gegen Neubauprojekte wendete sich der SPD-Verkehrspolitiker im Unterschied zu den Grünen nicht: „Es muss uns gelingen, schneller Infrastrukturprojekte umzusetzen, die der Zukunftsfähigkeit unseres Landes dienen.“


Union kritisiert grüne Verhinderungsmentalität
Der Unions-Verkehrsexperte Thomas Bareiß kritisierte den Streit in der Koalition: „Bei solch einem wichtigen Thema darf die Ampel keine weitere Zeit verlieren“. Planungs- und Bauprozesse müssten spürbar verkürzt werden - wie sonst wolle man die Sanierung und Erneuerung von 400 Brücken jährlich anpacken? Das werde mit „der grünen Verhinderungsmentalität“ nicht funktionieren.


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