21.06.2022 - 21:17 Uhr
Franz Fischer
Nr. 7819
477

Greenpeace fordert radikale Politikwende

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(Hamburg) - Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP) muss bis Mitte Juli ein Sofortprogramm zum Klimaschutz vorlegen, weil Deutschland im Verkehrssektor 2021 mehr Treibhausgase ausgestoßen hat, als im Bundesklimaschutzgesetz erlaubt ist. Tobias Austrup, Experte für Mobilität bei Greenpeace, sieht Wissing unter Zugzwang: Nötig sei eine „Vollbremsung“ der bisherigen Verkehrspolitik.

Alles wird falsch gemacht
Der Verkehrsminister müsse gleichermaßen „alles ändern“, erklärte Austrup am Dienstag in einem Fachgespräch der Grünen-Bundestagsfraktion. Dies betreffe „widersprüchliche Förderprogramme“ und andere fiskalische Maßnahmen. Es gebe in der Verkehrspolitik keine „ausreichenden strukturellen Pfade“, um die ambitionierten Klimaziele auch nur annähernd auf Dauer zu erreichen.

Bürger müssen sich ändern
Mittelfristig müssten Bürgerinnen und Bürger ihr Mobilitätsverhalten radikal verändern: Der Rad- und Fußverkehr müsse zusammen mit dem ÖPNV deutlich gestärkt werden.

Fahrrad-Kreis-Brücken über Kreuzungen
Die Niederlande seien schon weiter, so Austrup. In Eindhoven signalisiere etwa eine ringförmige Brücke für Radfahrer über einer Kreuzung, dass sie Autos nicht nur überschweben könnten, sondern als Verkehrsteilnehmer ernst genommen würden.

30.000 Euro Neuzulassungssteuer für Pkw
Als wichtigen Anreiz zur Wende plädiert Austrup für eine Neuzulassungssteuer. Mit einem solchen zweiten Preisschild mit Zusatzkosten zwischen 10.000 und 30.000 Euro könnte der Staat klarmachen: „Kauft am besten ein E-Auto, keinen Spritfresser.“ Es brauche eine deutliche Lenkungswirkung vonseiten der Politik, die klimaneutralen Antrieben einen „ganz klaren Vorrang“ einräume und im urbanen Raum Flächen neu verteile.

Autobahngelder für ÖPNV und Schiene verwenden
Die Straßenverkehrsordnung sei immer noch ein „Korsett“ für die Kommunen, erläuterte der Aktivist. Für den ÖPNV und die Schiene könnte der Staat sehr viel Geld aus dem Autobahnbau „umwidmen“.

365 Euro-Jahresticket gefordert
Für die Nachfolge des 9-Euro-Tickets biete es sich an, von Österreich zu lernen. Dort gebe es ein Jahresticket für 365 Euro für die eigene Stadt.

Unternehmen sollen Nahverkehr finanzieren
Infrage komme für die 365-Euro-Ticket-Finanzierung eine „Nutznießerfinanzierung“, um die Kosten zu decken: Unternehmen könnten pro Arbeitnehmer, der „nicht schon eine Stunde im Stau gestanden“ habe, einen gewissen Beitrag leisten.

Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts kritisiert
Eine Vollbremsung von Wirtschaft und Gesellschaft, um die Pariser Klimaziele zu erreichen, wolle das Bundesverfassungsgericht immer noch nicht, verdeutlichte Philipp Schönberger von der Umweltrechtsberatung Green Legal Impact. Die Karlsruher Richter plädierten in ihrem jüngsten einschlägigen Grundsatzurteil stattdessen für einen „freiheitsschonenden Übergang zur Klimaneutralität“.

Straßenverhinderungsgesetz gefordert
Schönberger beklagt an die Politik „insgesamt ein Umsetzungs- und Vollzugsdefizit“. Es gelte Instrumente für die Treibhausgas-Mengensteuerung auf Projektebene zu schaffen. Die Verkehrswegeplanung wäre hier ein sinnvolles Werkzeug. Der Ausbau von Fernstraßen werde in einem Bundesgesetz festgeschrieben. Die Gemeinden könnten sich kaum dagegenstellen. Hier müsse der Gesetzgeber intervenieren und „die ganze Kiste aufmachen“.

Generalmaut gefordert
Andere Beteiligte, wie Wiebke Zimmer von der Agora Verkehrswende, verwiesen auf Forderungen wie eine verursachergerechte Maut von 5,4 Cent pro Kilometer.

BDI will höhere Benzin- und Dieselpreise
„Die fossilen Kraftstoffe müssen teurer werden“, warb Uta Maria Pfeiffer, Abteilungsleiterin Mobilität und Logistik beim Bundesverband der deutschen Industrie (BDI), für weiter steigende Benzin- und Dieselpreise.

Preisermäßigung für alternative Kraftstoffe gefordert
Die Energiesteuerrichtlinie sollte zudem umgestaltet werden, um alternative, strombasierte Kraftstoffe wie E-Fuels günstiger zu machen. So würden die Leute schon aufgrund des Geldbeutels auf die Elektromobilität umsteigen. Die Kaufprämie für E-Fahrzeuge sollte aufrechterhalten, aber abgeschmolzen und neu austariert werden.

Bahnausbau gefordert
Eine weitere wichtige Maßnahme sei der Infrastrukturausbau, um mehr Güterverkehr auf Binnenschiffe und die Schiene verlagern zu können. Das Bahnnetz könne den zusätzlichen Bedarf momentan nicht abdecken. Baustellen müssten aber so gestaltet werden, dass sie Industrien wie die Stahlbranche nicht von Versorgungswegen abschnitten.

Grüne wollen Schiene und Fahrrad
Die Politik müsse „jetzt reingehen in Schiene und Fahrrad“, forderte der verkehrspolitische Sprecher der Grünen, Stefan Gelbhaar. Entscheidend seien deutliche Effizienzsteigerungen im Verkehrsbereich, der hierzulande durch „unglaublich viele leere, stehende Fahrzeuge“ geprägt sei. Deutschland brauche keine 50 Millionen Autos. Um die Vorgaben aus Karlsruhe zu erfüllen, „dürfen wir nicht beim veralteten Freiheitsbegriff stehen bleiben“. Die Ampel-Koalition sollte stärker „ans Handeln und Umsteuern kommen“.


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21.06.2022 21:22 Uhr   

Völlig irre.

Da kann man auch gleich ein Gesetz erlassen, dass die Schwerkraft jedes Jahr reduziert werden muss. Bis 2050 dann die Schwerkraft auf null reduziert wurde.

Jahr auf Jahr würde dann geklagt, und Recht bekommen, dass jetzt noch mehr Schwerkraft eingespart werden muss um das Schwerkraftbudget der künftigen Generation zu erhalten.

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