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(Berlin) - Am 9. November stellte der Bund der Steuerzahler sein 49. Schwarzbuch mit Steuergeldverschwendungsfälle in ganz Deutschland vor. Auch in der Ausgabe 2021/22 werden unnötige Ausgaben im Verkehrsbereich beklagt. Für etwas Neues und Populäres wird gerne Geld in die Hand genommen. Das es dabei zu Verschwendungen kommt, kritisiert der Bund der Steuerzahler an diversen Fällen im Radverkehr.
Geld für fast ungenutzte Radabstellanlagen
Stuttgart. Die Paulinenbrücke, der Mittlere Schlossgarten und der Hauptbahnhof. Alle drei Orte verbindet eine Gemeinsamkeit: Die Stadt Stuttgart hat Unterstellmöglichkeiten für Fahrräder errichten lassen, die kaum genutzt werden. Die bisherigen Einnahmen seit 2019 betragen zusammen 2.340 Euro. Dem gegenüber stehen Kosten von 662.000 Euro. Für den Betrieb kommen jährlich mehr als 8.000 Euro dazu.
(Foto: Daniel Bilaniuk, Bund der Steuerzahler)
Bezirksamt zahlt 14.444 Euro für eine Fahrradbox
Berlin. Mit neuen Fahrradboxen im Kiez rund um den Klausenerplatz ist eines der politischen Ziele des Berliner Mobilitätsgesetzes Wirklichkeit geworden. Dabei spielten für den rot-rot-grünen Berliner Senat Kosten keine Rolle. Laut Bezirksamt Charlottenburg-Wilmersdorf wurden 9 Boxen mit 50 Plätzen für 130.000 Euro errichtet. Zur vorgeschriebenen Wirtschaftlichkeitsuntersuchung teilte das Bezirksamt mit, dass das Vorhaben ein Pilotprojekt sei, weshalb keine Betriebserfahrung vorgelegen hätte, anhand derer eine Wirtschaftlichkeitsberechnung sinnvoll durchführbar gewesen wäre.
Fahrradparkhaus wird zum Millionengrab
Hamburg. 3 Mio. Euro hat die Stadt Hamburg für ein öffentliches Fahrradparkhaus in Eppendorf ausgegeben - an der U-Bahn-Station Kellinghusenstraße. Doch genutzt wird es auch Monate nach der Eröffnung so gut wie nie. Platz ist für 600 Fahrräder. Für die Stadt Hamburg ist die Investition sinnvoll und richtig: Der Verkehrssenator bittet um Geduld. Im Fahrradparkhaus Bergedorf seien 500 Plätze belegt. Das habe vier bis fünf Jahre gedauert. Er hält an dem Plan fest, weitere Fahrradparkhäuser zu bauen, das nächste am „Schlump“. Insgesamt sollen in diesem Jahrzehnt noch 14.000 Stellplätze geschaffen werden. Grundlage dafür ist das Bike Ride-Konzept das der Senat 2015 beschlossen hat.
(Foto: Bund der Steuerzahler)
Landesförderung setzt falsche Anreize
Schwerin. Für die Stadt Schwerin musste für den Fahrradtourismus unbedingt ein neuer Radweg mit neuer Brücke her. Das kostete 3,6 Mio. Euro und trifft offenbar noch nicht die wirklichen Beweggründe der Landeshauptstadt. Denn die vorhandenen Radfernwege „Hamburg-Rügen“ und „Residenzstädte-Rundweg“ führten schon zuvor an anderer Stelle zusammen. Doch nur so war die hohe Förderquote von 90 Prozent zu erreichen, was in der Förderpraxis des Landes begründet liegt. Wären stattdessen die vorhandenen Radwege saniert worden, hätte es keine Förderung gegeben.
So schön die Streckenführung des neuen Radweges und die Radwegebrücke sind, so fragwürdig ist der Nutzen für Radfahrer. Es gibt bereits einen Radweg um den See, der keine 1.000 Meter länger ist. Die Abkürzung spart nicht einmal fünf Minuten. Für den Alltag der Schweriner hat die neue Brücke kaum eine Bedeutung. Sanierungsbedürftige Wege blieben dagegen unangetastet, wodurch die Stadt Geld einsparte, mit der Landesförderung aber dennoch zu einem neuen Weg samt Brücke kam.
Seit Herbst 2021 zieren der neue Radweg und die neue Fahrradbrücke als Verbindung zwischen Dwang und Krösnitz die Landeshauptstadt. Der Bund der Steuerzahler kritisierte das geplante Bauwerk bereits im Schwarzbuch 2016/17. Eine vernünftige Unterhaltung und ein strukturierter Ausbau der vorhandenen Radwege sollte Priorität vor der Schaffung einzelner Höhepunkte für den Tourismus haben.
Erfolgreiche Fahrradteststrecke musste beseitigt werden
Northeim/Bentheim. In einem bundesweiten Modellprojekt „Schutzstreifen außerorts“ des Bundesverkehrsministeriums wurde von 2013 bis 2018 erprobt, wie sich diese Radverkehrsführung außerorts auf die Attraktivität und die Sicherheit des Rad- und Autoverkehrs auswirkt.
In Niedersachsen beteiligten sich der Landkreis Northeim und der Landkreis Grafschaft Bentheim. Hierzu wurden für den Radverkehr auf beiden Seiten der Versuchsstrecken Schutzstreifen aufgebracht, sodass für Kraftfahrzeuge lediglich ein Kernfahrstreifen in der Fahrbahnmitte verblieb. Die zulässige Höchstgeschwindigkeit wurde auf 70 km/h begrenzt.
Beide Landkreise machten mit der neuen Verkehrsführung durchweg positive Erfahrungen. Die forschungsbegleitende Lenkungsgruppe kam in ihrem Schlussbericht von Dezember 2017 zu dem Urteil, dass die Schutzstreifen unter gewissen Bedingungen als Lösungsmöglichkeit zur Führung des Radverkehrs auf schwächer belasteten Straßen empfohlen werden könne. Die Experten empfahlen, die Teststrecken bestehen zu lassen, um die Erkenntnisse weiter festigen zu können.
Umso erstaunlicher war, dass nach Ablauf des Projektzeitraums die Aufforderung kam, die Teststrecken zu beseitigen. Der Abschlussbericht belege, dass von den neuen Schutzstreifen keine sicherheitssteigernde Wirkung ausgehe. Eine Aufnahme der Schutzstreifen außerorts in die Straßenverkehrsordnung wird deshalb nicht weiterverfolgt.
Für das Abfräsen der Markierungen und die Wiederherstellung der Fahrbahndecke fielen in beiden Landkreisen insgesamt 763.000 Euro an. Für die Herstellung der Teststrecke waren zuvor 261.000 Euro angefallen.
Wie es anders geht, zeigte Baden-Württemberg. Im Südwesten wurden die Schutzstreifen nicht entfernt: Das Forschungsprojekt wurde in Eigeninitiative verlängert und es wurden sogar noch weitere Strecken in den Versuch aufgenommen.