26.06.2021 - 21:42 Uhr
Franz Fischer
Nr. 7374
1.456

Neuer Regionalplan beschlossen

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(Pfullendorf) - Trotz des enormen Protests in den vergangenen Monaten hat die Verbandsversammlung des Regionalverbandes Bodensee-Oberschwaben am Freitag in Pfullendorf den neuen Regionalplan für die Region Bodensee-Oberschwaben beschlossen. Vorausgegangen sind nach mehrjähriger Vorbereitung zwei öffentliche Planauslegungen. Zusammen gingen mehr als 7.500 Stellungnahmen ein.

37 Versammlungsteilnehmer stimmten am Freitag schließlich für den Plan, 10 waren dagegen. Grüne und ÖDP scheiterten mit einem Antrag, den Plan erneut offenzulegen und die Landesregierung als Vermittlerin unterschiedlicher Interessen einzuschalten. Im nächsten Schritt prüft das Land den neuen Regionalplan und entscheidet, ob er in Kraft tritt und dann den bisherigen Plan aus dem Jahr 1996 ersetzt.

Die Regionalplanung dient als regionale Raumordnung der Konkretisierung, der fachlichen Integration und Umsetzung der Ziele der Raumordnung in einer Region. Sie nimmt damit eine vermittelnde Stellung zwischen der Landesentwicklung und kommunaler Gemeindeentwicklung ein. Die Regionalplanung stellt dabei Grundsätze und Ziele für die Raumordnung auf. Sie erzeugt damit Planungssicherheit für Gemeinden und Fachplanungsträger.

Der neue Regionalplan regelt unter anderem, welche Flächen im Landkreis Ravensburg, im Bodenseekreis und im Landkreis Sigmaringen für welche Zwecke genutzt werden können, etwa für Industrie und Gewerbe, Wohnungen, Verkehrswege, die Landwirtschaft oder den Rohstoffabbau. Eine Verpflichtung zur Nutzung besteht aber nicht. Bezüglich von Verkehrswegen werden lediglich Flächen vor einer anderen Nutzung freigehalten. Konkrete Trassen ergeben sich hier erst aus der Projektplanung. Bezüglich des Naturschutzes schützt der Regionalplan Landschaften etwa durch Grünzüge und Grünzäsuren.

Kritik gab es vor allem an Fragen rund um den Naturschutz. Mehr als 30 Initiativen (zeitweise wurde von 39 berichtet) sowie bundesweit agierende Demonstranten, warfen dem Regionalverband vor, zu viel Fläche für Kiesabbau, Wohngebiete oder Gewerbe auszuweisen, die Natur vor allem durch Kiesabbau zu zerstören und unnötige Straßen zu planen.

Die Vorwürfe wiesen die Verantwortlichen am Freitag erneut zurück. Die Einhaltung der Klimaschutzziele ist auch mit dem Regionalplan grundsätzlich möglich, so eine Referentin für Planung und stellvertretende Direktorin des Regionalverbandes. Mehrere Redner betonten die begrenzte Zuständigkeit des Verbands. Es liege an jeder einzelnen Kommune, was sie aus dem Plan macht. Der Verbandsvorsitzende Thomas Kugler sprach von einer vorausschauenden Flächenplanung.

Deutliche Kritik äußerte die Fraktion von Grünen und ÖDP. Im Jahr 2020 müsse ein Raumplan ein Klimaplan sein. Der Plan müsse unter der obersten Prämisse ausgestaltet werden, die Klimaziele zu erreichen. Bei vielen vorausgesetzten Kennzahlen, etwa bei der Bevölkerungsentwicklung, sei  mit Werten an der obersten Grenze gerechnet worden. Grüne und ÖDP schlugen vor, den Beschluss über die Fortschreibung zu verschieben und das Land als Mediator einzuschalten. Eine Mehrheit fand der Antrag nicht.

Zahlreiche Stellungnahmen verschiedener Redner machten deutlich, wie hart sie in den vergangenen sechs Jahren um einen Kompromiss gerungen haben. Fraktionsvorsitzender Norbert Zeller (SPD) wies darauf hin, dass es für viele Menschen nahezu unmöglich sei, bezahlbaren Wohnraum zu finden. Stefan Köhler (CDU) berichtete von Anrufen verzweifelter Menschen, die Wohnraum suchen. Bezahlbarer Wohnraum brauche keinen überdimensionalen Flächenverbrauch, meinte dagegen Ulrich Walz (Grüne).

Landrat Lothar Wölfle (CDU) bemängelte begrenzte Möglichkeiten für Unternehmen, sich zu vergrößern. Anna Pröbstle (Grüne) beklagte sich dagegen darüber, dass der Regionalplan den  endlichen Faktor Boden für Verkehr und Industrie zur Verfügung stelle und ihn der Landwirtschaft entziehe.

Hildegard Fiegel-Hertrampf (Grüne) sprach sich dafür aus wesentlich mehr Kies als Baumaterial einzusparen, indem man Recyclingmaterial verwende und den Straßenbau begrenze. Straßen seien überdimensioniert. Sie bezweifelte die Berechnung der Einwohnerzahl, mit der die Region wachsen solle. Entsprechend ergäben sich daraus die Vorgaben für benötigten Wohnraum und Gewerbegebiete. Der Klimaschutz komme zu kurz.

Verbale Prügel mussten die Verbandsteilnehmer erneut von Klimaaktivisten einstecken. Diese protestierten während der gut fünfstündigen Sitzung vor der Pfullendorfer Stadthalle gegen den Regionalplan. Sie erkennen das Gremium nicht als demokratisch an: Der Regionalverband sei sehr alt und sehr männlich, er spiegele nicht die Verhältnisse in vielen Gemeinderäten wieder und bestehe vor allem aus Bürgermeistern und Landräten. Der Frauenanteil sei zu niedrig, und das Gremium kein Spiegelbild der Gesellschaft. Mit einer Trompete begleiteten sie den Abgesang auf die Versammlung. „Das Klima macht keine Kompromisse“, riefen sie der Versammlung hinterher. Andere bezweifelten die Notwendigkeit eines solchen Gremiums. Größere Zwischenfälle gab es dennoch nicht. Ein Großaufgebot der Polizei und ein privater Sicherheitsdienst sorgten in der Halle und davor für Ordnung.

Das ein solches Aufgebot für eine demokratische Versammlung nötig ist, ist betrüblich, meinte Thomas Kugler zum Abschluss der Verbandsversammlung.

Trotz der demokratischen Legitimierung wollten am Freitag die grünen Landtagsabgeordneten im Gebiet des Regionalverbands Bodensee-Oberschwaben, Andrea Bogner-Unden (Wahlkreis Sigmaringen), Martin Hahn (Bodenseekreis), Petra Krebs (Wahlkreis Wangen-Illertal) und Manfred Lucha (Wahlkreis Ravensburg) den Plan nicht anerkennen. In einer gemeinsamen Erklärung bringen sie ihre Enttäuschung zum Ausdruck über eine Entscheidung im „Weiter-So-Modus“. Richtig wäre gewesen, dass die Region Bodensee-Oberschwaben einen Teil zum Klimaschutz beitrage. Die Auswirkungen bekämen die vom Aussterben bedrohten Pflanzen und Tierarten zu spüren. Die Regionalplanung wollen sie noch über die Landesregierung stoppen. Sie werde den Landesentwicklungsplan neu aufstellen, mit den Schwerpunkten günstiger Wohnraum, ökologische Verkehrswende, Ausbau der Erneuerbaren Energie, Klimaschutz und Eindämmung des Flächenverbrauchs.


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